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Gedanken zur Ernährung des Kaninchens
Sind unsere Kaninchen eigentlich Nagetiere? Nagetiere stellen mit etwa 2280 Arten rund 42 % aller Säugetierspezies und sind somit die bei weitem artenreichste Ordnung dieser Gruppe. Sie sind nahezu weltweit verbreitet und haben eine Vielzahl an Lebensräumen besiedelt. Die Größe der Nagetiere variiert von den Zwergformen( Zwergmaus) bis zu den Großen (Biber). Das Gebiss der Nagetiere ist relativ einheitlich und setzt sich aus den Schneidezähnen, den vorderen und den hinteren Backenzähnen zusammen. Typisch ist eine Lücke im Gebiss vor der Backenzahnreihe. Während die Anzahl der Schneidezähne immer konstant blieb, hat sich die Anzahl der Backenzähne im Laufe der Zeit etwas verändert. Als Nagezähne bezeichnet man die 4 Schneidezähne. Diese stellen das Hauptmerkmal des Nagetieres dar. Während die Backenzähne nur ein begrenztes Wachstum besitzen, wachsen die Schneidezähne ein leben lang. Diese Zähne sind wurzellos und sind zum Kiefer hin offen. Die Wachstumsrate beträgt ca. 2-3 mm pro Woche. Bei ungünstigen Futter- und Abriebverhalten kann dies auch 5mm und mehr betragen. Bei fehlender Abnutzung wachsen die Nagezähne immer weiter. Die unteren Nagezähne wachsen dabei meist nach vor heraus, können aber auch den Schädel durchdringen, während sich die oberen meist nach hinten krümmen und sich entlang der inneren Mundhöhle entwickeln. Dass eine Futteraufnahme damit nicht mehr möglich ist erklärt sich von selbst. Die Tiere sitzen vor dem Futter und verhungern. Unsere Kaninchen weisen aber eine Besonderheit auf. Sie besitzen ebenfalls Schneidezähne die nachwachsen. Aber hinter den Oberen befindet sich noch ein kleines Zahnpaar. Die sogenannten Stiftzähne. Und obwohl auch die typische Lücke vor der Backenzahnreihe vorhanden ist, die Zähne nachwachsen, die Jungen ohne Fell geboren werden, gehören sie in der Säugetierordnung auf Grund dieser zwei Stiftzähne nicht zu den Nagetieren sondern zu den Hasentieren (Lagomorpha).
Das Fressen zählt zu den Hauptbeschäftigungen der Kaninchen. Es gibt dabei keine festen Zeiten. Kaninchen fressen einfach immer dann, wenn ihnen danach ist. Kaninchen ernähren sich in der Natur beinahe ausschließlich von Gras, Kräutern, Blättern, und Zweigen. An Getreide und Pellets dürfte für sie schwer heranzukommen sein? Darauf ist auch der Verdauungstrakt der Kaninchen angelegt. Ihr Futter ist naturgemäß sehr karg und kalorienarm, so dass sie ständig Futter aufnehmen müssen. Als Pflanzenfresser besitzen Kaninchen ein hochkompliziertes Verdauungssystem, das sehr störanfällig ist. Die Tiere haben einen nur schwach bemuskelten Magen, der zum Weitertransport der Nahrung in den Darm nur wenig beitragen kann. Es muss ständig Nahrung aufgenommen werden, damit das nachdrängende Futter den Nahrungsbrei in den Darm weiterschieben kann.
Woraus besteht eigentlich ein Futtermittel? Aus Wasser und Trockensubstanz (TS). Und diese TS wiederum aus organischer(verbrennbarer) und anorganischer(Asche) Substanz. Die organische Substanz unterteilt sich wiederum in stickstoffhaltige (Roheiweiße) und stickstofffreie Stoffe (Rohfaser, Rohfette, N-freie Extraktstoffe). Und all diese Stoffe werden gebraucht um die Körperzellen zu ernähren, während des Wachstums zu unterstützen und um Körperwärme zu bilden. Der Vorgang der Aufnahme, des Transportes und der chemischen Umwandlung der Nahrung dient, wird als Stoffwechsel bezeichnet. Dabei wird die Nahrung auf mechanischer und chemischer Art in ihre Bausteine „zerlegt“. Diese wiederum dienen der Erhaltung der Lebensvorgänge, dem Körperwachstum, der Fettbildung. Dabei entsteht sehr hoher Anteil an Wärmeenergie. Das heißt, je höher der Energieumsatz, desto höher die Wärmebildung. Wenn aber viel Wärme gebildet wird im Stoffwechsel, muss der Körper wieder Energie aufbringen um diese nach außen abzugeben. Da Kaninchen aber nicht schwitzen können erfolgt dies über ein verstärktes Hecheln. Dies besitzt große Bedeutung gerade in der heißen Jahreszeit, wo sich unsere Tiere in der Regel in einer Phase erhöhten Wachstums befinden. Wenn dann noch Hitze durch die Witterung dazu kommt, kann es schnell zum Kollaps führen. Deshalb ist ein gut belüfteter und kühler Stall im Sommer von großer Bedeutung.
Was sind aber nun die wichtigsten Futtermittel für unsere Kaninchen? Das wichtigste Nahrungsmittel überhaupt ist HEU. Kein anderes Nahrungsmittel trägt soviel zur Gesunderhaltung des Kaninchens bei. Dafür gibt es keine echte Alternative. Erst wenn es länger gelagert wird und der Verholzungsgrad zu groß ist, dann verliert es an Verdaulichkeit und an Vitaminen. Die als Fertignahrungsmittel erhältlichen Pellets enthalten zwar Pressheu und Stroh, angereichert mit wichtigen Vitaminen, haben jedoch einen entscheidenden Nachteil. Heu wird zwischen den Zähnen zermahlen, Pellets werden nur zerbissen und fordern das Gebiss weniger. Da die Zähne der Kaninchen ständig nachwachsen, kann dies auf die Dauer zu Problemen führen. Heu sollte immer frisch, trocken, in bester Qualität und in ausreichender Menge den Tieren zu Verfügung stehen.
- „Hochwertiges Heu enthält unterschiedlichste Gräser und Kräuter, was sich durch den typischen Geruch auszeichnet. Es sollte staubfrei und trocken sein. Muffiges Heu deutet auf eine unsachgemäße Lagerung hin und darf nicht verfüttert werden.“
- Grünfutter: Dazu zählen alle Pflanzen die „auf der Wiese“ wachsen. Besonders empfehlenswert sind Wiesen, welche einen hohen Besatz an Unterwuchs und demzufolge eine große Anzahl an verschiedenen Pflanzenarten und Kräutern aufweisen. Aber auch Hackfrüchte wie Möhren und die Verschiedenen Rübenarten gehören zum Grünfutter. Es verfügt neben den üblichen Inhaltsstoffen über einen hohen Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen. Aber auch Kohlarten wie Grün- und Rosenkohl eignen sich sehr gut für die Kaninchenfütterung. Stellen sie doch eine Futterquelle für den Winter dar wo sonst nichts wächst. Auch Topinambur, Sonnenblumen, die Silphie (Silphium perfoliatum L.) sind hervorragend geeignet, um unsere Tiere zu ernähren. Ein gewisses Risiko birgt aber auch der Einsatz von Grünfutter. So sollte dessen Einsatz, besonders von Grünschnitt, sehr sorgfältig und vorsichtig erfolgen. Frischer Grünschnitt mit hohem Eiweißsanteil sollte sehr langsam zu beginn in die Ration eingebaut werden. Es sollte generell verzichtet werden plötzliche Futterwechsel vorzunehmen. Hier sei wieder unser Heu angeführt. Wenn dieses ständig in der Ration vorhanden ist, fallen Futterumstellungen leichter. Die Verfütterung von nassem Grün sollte möglichst vermieden werden weil dies eine Belastung des Verdauungssystemes darstell. Auf den Schnitt von Grün bei starker Nässe sollte verzichtet werden, da dann eine erhöhte Belastung dieses mit den „s.g. Erdkeimen“ auftritt, welche zum Beispiel durch Aufwurf von Maulwurfhaufen an das Grün gelangen. Wer aber an solchen Tagen auf Grün nicht verzichten will, der reicht einige Blätter von Sonnenblumen, Topinambur und anderen angebauten Kulturpflanzen.
Konzentratfutter: Als Konzentrate werden alle Futtermittel bezeichnet die eine hohe Energie- und Eiweißkonzentration besitzen. Dazu zählen auf der einen Seite die verschiedenen Getreidearten, auf der anderen die durch den Menschen „künstlich“ geschaffenen Pelletfutter. Diese zeichnen sich in der Regel durch einen hohen Anteil an Eiweiß, Stärke und Fett aus, was sie zur Gruppe der Konzentrate gehören lässt.
Wasser: Wasser besitzt eine große Bedeutung in der Ernährung. Noch bis vor wenigen Jahren wurde oftmals die Meinung vertreten, das Kaninchen einzig und allein ihren Wasserbedarf über Grünfutter und Hackfrüchte decken können. Doch wurde in letzter Zeit diese Meinung wissenschaftlich wiederlegt und es ist eigentlich ein Verstoß gegen den Tierschutz, wenn Tieren Wasser vorenthalten wird. Und gerade beim Einsatz vom pelletierten Futter ist dies nicht wegzudenken. Man sollte einmal den Versuch machen und etwas dieses Futters mit Wasser zu versetzen. Man wird erstaunt sein, welche Menge Wasser notwendig ist um diese Pellets zum Auflösen zu bringen. Natürlich werden die Wasseraufnahmemengen zwischen den einzelnen Tieren, Rassen und Jahreszeiten schwanken. Deshalb ist es angebracht den Tieren über Einzeltränken das Wasser zu verabreichen und nicht über zentrale Wasserversorgungsanlagen. Denn nur so kann man sehen wie der Bedarf und die Aufnahme des einzelnen Tieres ist. Und was ganz wichtig ist: Tränkwasser muss Trinkwasserqualität besitzen. Und nur über saubere Tränkeinrichtungen kann diese Qualitätsstufe gehalten werden.
Neben diesen Hauptfuttermitteln gibt es noch Zusatzstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, welche alle dazu beitragen den Tieren eine ausgewogene Ernährung zu bieten.
Nun hört sich das Ernährungskonzept durch diese vielen verschiedenen Komponenten sehr kompliziert an, und die Fütterung der Kaninchen ist in Wirklichkeit eine Sache, die viel Fingerspitzengefühl und Beobachtungsgabe des Einzeltieres Bedarf. Es gibt gute und schlechte Futterverwerter, es gibt Tiere die fressen bestimmte Futterkomponenten besser als andere. Und dies muss der Halter oder Züchter beobachten um den Tieren das entsprechende Futter und in der entsprechenden Menge zu reichen. Dann gibt es bestimmte Entwicklungsstufen. Jungtiere haben einen anderen Bedarf als Tiere die stark im Wachstum begriffen sind, und Alttiere in der Zuchtruhe haben einen anderen Bedarf als Zuchttiere im Zuchteinsatz. Nun kann man es sich ja einfach machen, und die Industrie bietet dazu alle Möglichkeiten an. Man füttert nur Pellets, jeweils die der entsprechenden Entwicklungsstufe, und reicht dazu Wasser. Das geht schnell, es produziert wenig Mist und man hat keine Probleme mit Futterumstellungen. Aber mal ehrlich. Möchten wir auch jeden Tag nur das gleiche Essen? Ohne Zweifel sind diese pelletierten Futtermittel ausgewogen, versehen mit allem was der wachsende oder leistungsbringende Körper braucht und in der Lage den Bedarf allein abzudecken. Aber liegt es nicht eigentlich in den Grundsätzen unseres Verbandes und unseres Hobbys begründet, sich mit Hingabe den anvertrauten Tieren zu widmen. Und dies besagt auch, dass wir als Züchter und Halter die Verantwortung über unsere Tiere haben. Denn sie können sich nicht mehr selbst um ihre Nahrung kümmern. Es soll keine Verteuflung der Fertigfutter sein. Es soll nur ein Gedanke sein, ist etwas Abwechslung in der Fütterung nicht angebracht. Sicher wird der eine oder andre jetzt denken, alles nur Gelabber, so geht es doch viel einfacher und die Verluste sind auch viel geringer. Aber warum entstehen den eigentlich hohe Verluste. Ist es nicht der Ehrgeiz, dass die Tiere in kürzester Zeit auf ihrem Mindestgewicht sein müssen und dadurch die einfachsten Regeln der Kaninchenernährung missachtet werden. Oder werden einfach auf zu geringem Raum zu viele Tiere gehalten. Wie sagte doch unser Präsident: „Kaninchenzucht ist Passion mit Leidenschaft“. Und diese Leidenschaft finde ich sollte auch bei der Fütterung unserer Tiere aufgebracht werden. Und gerade da bestehen viele Möglichkeiten. Es kann Grünfutter angebaut und geerntet werden. Wer das Risiko des Verfütterns von Gras scheut, sollte dieses wenigstens als hochqualitatives Heu reichen. Auch der Anbei der o.g. Pflanzen wie Grün- und Rosenkohl macht einerseits Freude, und hat noch den Effekt, das auch für die eigene Küche etwas verwertet werden kann. Sicher ist es notwendig, wenn große Rassen gehalten werden mit Konzentraten einzugreifen, ab bitte mit Bedacht. Ich denke, wenn diese Denkanstöße umgesetzt werden, können die Tiere auch verlustfrei und mit wenig Medikamenteneinsatz gezogen werden. Der Nebeneffekt, die Tiere werden artgerecht gehalten und der Züchter ist an der frischen Lust und freut sich neben dem Wachsen der Kaninchen auch über das Heranwachsen der Pflanzen.
Nicht immer ist das Rationale das Beste. Manchmal führt auch ein etwas längerer Weg zum Ziel.
Frank Scholz / Olbernhau
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