Das Gesunde und das Kranke Kaninchen
Kaninchen sind Fluchttiere, die Krankheitssymptome meist lange verstecken, da sie andernfalls in freier Wildbahn schnell Opfer von Feinden und Beutetieren werden. Deshalb ist es wichtig die uns anvertrauten Tiere genau zu beobachten und Eigenarten einzelner Tiere erkennen zu lernen. Dies erreicht man aber nicht, wenn man schnell durch den Bestand „flitzt“ und jedem Tier das Futter mehr oder weniger liebevoll in die Box wirft, sondern es Bedarf stetiger Beobachtung. Besondere Eigenarten (Mobilität, Fressverhalten, Aggressivität, e.t.c.) muss man sich merken um im speziellen Fall zu entscheiden ist der Zustand normal oder liegt eine krankhafte Veränderung vor. Die größte Freude eines jeden Züchters oder Kaninchenliebhabers ist es, wenn er seine Stallanlage betritt und alle Tiere munter an Gitter erscheinen und auf ihr Futter warten.
Um zu erkennen ob ein Tier krank ist, ist es erst einmal wichtig zu wissen was ist „normal“. „Normal“ ist ein Tier wenn es lebhaft und aufmerksam auftritt. Ein reges, aufmerksames Spiel mit den Ohren und der Nase signalisiert dies. Guter Appetit, ein glattes glänzendes Fell, klarer Augenausdruck und eine trockene Nase sind ebenso wie ruhige Atmung Ausdruck von Wohlbefinden. Natürlich müssen rassespezifische Unterschiede beachtet werden. Es gibt lebhafte Rassen wie auch sehr ruhige. Langhaarige Rassen neigen mehr zur Bezoarbildung (Bezoar ist ein Ball aus verschluckten unverdaulichen Materialien wie z.b. Haaren)als Kurzhaarrassen. Kurzköpfige Rassen scheinen häufiger unter genetischen Zahnfehlstellungen zu leiden. Widder weisen, aufgrund der hängenden Ohren, eine größere Prädisposition für infektiöse Erkrankungen der Gehörgänge auf. Aber auch altersspezifische Dispositionen müssen beachtet werden. So sind Jungtiere für Magen-Darm-Infektionen empfindlicher als Ausgewachsene. Tumore des Gesäuges und der Gebärmutter treten vornehmlich bei älteren Zuchthäsinen auf.
Krankhaft verändert können lokal begrenzte Gebiete, ganze Organe oder Organsysteme sein, oder es sind bei Allgemeinerkrankungen große Teile des Körpers in Mitleidenschaft gezogen. Es ist zu unterscheiden zwischen ererbten und angeborenen Erkrankungen. Erworbene Leiden sind Folgen innerer oder äußerer Ursachen, wenn diese stärker auf den Körper einwirken als es die Regulationsmechanismen dieses auszugleichen vermögen. Häufig treffen innere und äußere Einwirkungen zusammen und führen zu pathologischen Veränderungen. Teilweise sind diese Abweichungen vom „Normzustand“ aber so gering, das eine Entscheidung ob ein Tier gesund oder schon krank ist sehr schwierig ist. Und da diese Entscheidung lebensentscheidend sein kann ist auf das eingangs Gesagte sehr viel Bedeutung zu legen.
Um aber nun schnellstmöglich zu der Entscheidung krank oder gesund zu kommen ist ein besonders besonnenes Vorgehen notwendig. Zuallererst müssen alle Tiere in Ruhe (!) beobachtet werden. Nur dadurch ist zu erkennen ob das oder die Tiere aufmerksam an ihrer Umgebung interessiert sind. Sitzen die Tiere mit gesenktem Kopf oder teilnahmslos im Stall ist dies ein erstes Anzeichen das etwas nicht stimmt. Ihr Blick ist trüb, der Augenausdruck ausdruckslos, stumpf und leer. Das Fluchtverhalten ist mäßig bis stark gestört. Wenn man ein verdächtiges Tier im Bestand vermutet, dann sollten folgende Vorgehensweisen praktiziert werden. Entweder man lässt den Probanden ohne (!) Kontakt und bemüht sich nach Abschluss aller anfallenden Arbeiten um Ihn, oder man kümmert sich gleich darum, mit der Konsequenz, das im Anschluss daran alle Hygienemaßnahmen durchgeführt werden (Händedesinfektion, Wechsel und Desinfektion von Arbeitsgeräten und Bekleidung), die eine Weiterverbreitung von Erregern verhindern. Günstig erweist sich wenn man über eine separate Stalleinheit (Quarantäneeinheit) verfügt in welcher krankheitsverdächtige Tiere untergebracht und dort separat betreut werden können. Wenn Tiere in diese verbracht werden, ist sinnvoll diese immer als letztes und mit sowenig wie möglich direktem Kontakt zu versorgen.
Quarantäne
Noch kurz ein paar Worte zur Quarantäne. Unter Quarantäne versteht man die befristete Isolierung von Personen oder von Haustieren, die verdächtig sind, an bestimmten Infektionskrankheiten erkrankt oder Überträger dieser Krankheiten zu sein. Bei Zukauf von Haustieren ist die Quarantäne überdies zum Ausschluss der Krankheitsverbreitung aus dem Herkunftsbestand. Warum ist sie aber so von Bedeutung und warum wird sie gerade in der Kaninchenzucht so wenig praktiziert? Jede Infektionskrankheit benötigt vom Eintreffen der Erreger auf den Organismus bis zum Auftreten klinischer Symptome (Inkubationszeit) eine bestimmte Zeit. Diese streut von wenigen Tagen bis mehrere Monate (z.B. Tollwut). In der Regel kann man aber sagen dass die Mehrheit der Erkrankungen nach spätestens 28 Tagen zum Ausbruch kommt.
Deshalb ist eine Quarantäne von 4 Wochen einzuhalten. Aus dem vorhergesagten ergibt sich deshalb die Notwendigkeit, zugekaufte Tiere, aber auch Tiere welche, egal ob von kleinen Vereinsschauen oder Bundesschauen zurückkommen, in einer Quarantäneeinheit unterzubringen. Im Idealfall sollte sich diese räumlich getrennt von der anderen Stallanlage sich befinden. Die Bewirtschaftung dieser sollte als letztes erfolgen, mit separaten Arbeitsgeräten und Arbeitsbekleidung.
Ich denke, dass es für die meisten Züchter keine großen Neuheiten waren, welche in diesem Beitrag aufgeführt wurden. Aber im Laufe der Zeit spielt sich viel Routine ein und bestimmte autorisierte Abläufe schleifen sich ein. Um diese einfach zu durchdenken sollen diese Zeilen Anregung sein. Vielleicht kann das eine oder andere verändert werden, oder aber man macht bestimmte Tätigkeiten bewusster. In diesem Sinne wünsche ich allen Zuchtfreunden viel Erfolg bei der Zucht, wenig kranke Tiere, wenig Verluste, und wenn Erkrankungen auftreten diese schnellstmöglich zu erkennen und zu behandeln.
Dipl.vet.med. Frank Scholz Olbernhau
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